Nord-und Mittelungarn

Nord- und Mittelungarn umfasst vier Weinbaugebiete im Nordosten Ungarns:

Matrálja

Matrálja ist mit seinen fast 7.250 Hektar Rebfläche das größte Gebiet dieser Region. Zugleich ist es auch das bergigste, daher wird es auch Bergweinregion genannt. Rebanlagen findet man hier auf einer Höhe von bis zu 500 Metern. Das Mittelgebirge erstreckt sich nördlich von Gyöngyös und schützt die Reben vor Kälteeinflüssen. Der Berggipfel Kékestetö ist mit 1.015 Metern die höchste Erhebung des Landes und weit im Umkreis zu sehen. Neben Weinbergen prägen Laubwälder aus Buchen, Eichen und Kastanien die Landschaft. Die Böden sind vulkanischen Ursprungs und mit Löß-, Kies- und Mergelschichten unterlegt. Sie ähneln stark den Böden des Tokaj.
Wie in allen Gebieten Ungarns begannen auch in Matrálja keltische Stämme sehr früh mit dem Anbau der Reben. Erste urkundliche Erwähnungen sind aus dem 13. Jahrhundert überliefert. Damals prägte die Rebsorte Kadarka maßgeblich die Weine.

Die Region erlebte eine wechselvolle Geschichte, teilweise litt sie sehr stark unter der türkischen Besetzung im 16. und 17. Jahrhundert. Die Besatzer beschlagnahmten die Weine und Plünderer raubten die Winzer aus, so dass viele keinen Sinn mehr darin sahen, Wein zu produzieren. Nach einer kurzen Erholung fielen im späten 19. Jahrhundert viele Weinberge der Reblaus zum Opfer. Das veränderte den Weinbau grundlegend. Es wurden vorwiegend Weißweinreben angepflanzt, die die roten Reben stark verdrängten.
Bis heute sind die weißen Sorten dominierend. Wichtigste Weißweinreben sind der Olaszrizling, Hárslevelü, Tramini, Leányka, Zöldveltlini, Rizlingzilvány, und Szürkebarát. Muskotály, Chardonnay und Sauvignon blanc wurden in den letzten Jahren vermehrt neu gepflanzt. Die weiße Neuzüchtung Irsai Olivér aus dem Jahr 1930 ist gebietsweise vertreten. Die Weine sind sehr fruchtbetont, oft mit einem zarten Muskatton, und werden jung getrunken.
Die Rotweine werden, wie im angrenzenden Gebiet Eger, meist aus den Rebsorten Kékfrankos, Zweigelt, Kadarka, Cabernet Sauvignon und Merlot gekeltert.

Eger – Egri

Die 5.440 Hektar des Weingebietes Eger (Erlau) erstrecken sich auf den südlichen Ausläufern des Mittelgebirges, die Böden sind mit dem angrenzenden Gebiet Matrálja nahezu identisch. Das Klima ist hier jedoch etwas milder.
Die ältesten Überlieferungen zum Weinbau in und um Eger stammen aus dem 11. Jahrhundert, als König István (bekannt auch unter dem Namen Heiliger Stephan) die Stadt zum Bischofssitz ernannte. Er schenkte den Mönchen Land, welches sie mit Rebstöcken kultivierten.
1241 erfuhr der Weinbau durch den Einfall der Mongolen einen schweren Rückschlag und erholte sich erst wieder im 14. Jahrhundert. Zisterziensermönche festigten mit Unterstützung von wallonischen Siedlern den Weinbau. Wie in allen Gebieten blieben auch die Winzer in Eger nicht von türkischer Herrschaft verschont. Allerdings waren die Einflüsse während der 91 Jahre andauernden Besatzung nicht so stark, weil die Türken sehr gerne die süßen Trauben aßen und ihnen außerdem gute Steuereinnahmen gesichert waren. Nach Ende der türkischen Besatzung entwickelte sich der Weinbau bis zur Reblausplage ausgezeichnet.
Nach der Reblauskatastrophe wurden erneut Weinberge angelegt, aber nie wieder in dem Maße wie früher. Auf den Rhyolitt-Tuffböden, die stellenweise mit sandig-lehmigen Schichten durchzogen sind, wurden Ende des 19. Jahrhunderts hauptsächlich rote Rebsorten gepflanzt. Seitdem werden kräftige Rotweine aus den Traubensorten Kékfrankos, Nagyburgundi, Merlot, Cabernet Sauvignon, Kékoporto und natürlich Kadarka erzeugt.

Das Erlauer Stierblut – eine Legende schuf diesen Namen
Der Egri Bikavér, uns besser unter dem Namen Erlauer Stierblut vertraut, wurde erstmals im Jahr 1851 erwähnt. In seinem Namen zeigt sich die enge Verbundenheit der Ungarn zu ihrem Land. Aufgrund der tiefdunklen Farbe erinnert der Wein an Stierblut und wurde auf diesen Namen getauft. Es gibt eine schöne Legende, die auf vielen Rückseiten des „Erlauer Stierblutes“ nachgelesen werden kann: „Als die Türken wieder einmal die Stadt belagern wollten, tranken die Kämpfer Egers roten Wein, um so Kampfesgeist und Siegeswille zu stärken. Dabei färbten sich ihre Bärte tiefrot. Die Gegner dachten, sie hätten das Blut von Stieren getrunken, um deren Kraft zu bekommen. Bei diesem Anblick zogen sich die Türken zurück.“

Ein Egri Bikavér ist immer eine Cuvée aus mindestens drei Rotweintrauben. Früher hatte Kadarka in der Cuvée, die mit Kékoporto, Kékfrankos, Merlot und Cabernet Sauvignon verschnitten wurde, den höchsten Anteil. Einige Winzer bestockten ihre Weinberge in „Gemischten Satz“ mit diesen Rebsorten, um sich Arbeitsgänge zu sparen. Dies wurde als natürlicher Verschnitt bezeichnet.
Der Egri Bikavér heutzutage wird stark vom Kékfrankos geprägt, und die Rebsorten Kékoporto, Merlot und Cabernet Sauvignon runden das Geschmacksbild ab. Kadarka ist oft nur in wenigen Teilen beziehungsweise gar nicht mehr vorhanden. Aufgrund seiner hohen Säure und vielleicht auch seiner hellen Farbe wegen ist er den anderen Rebsorten gewichen. 1997 legte der Weinbauvorstand von Eger im so genannten „Stierblutkodex“ Dinge wie das Herstellungsverfahren und die Rebsorten eines Bikavérs fest, um die Tradition zu wahren. Bikavér (Stierblut) darf auch in der Region Szekszárd produziert werden (siehe dort).
Die Weißweine in Eger werden meistens aus den Trauben von Leányka (Mädchentraube), Királeányka (Königstochter), Hárslevelü (Lindenblättriger), Olaszrizling (Welschriesling), Muskotály, Tramini, Szürkebarát (Grauer Burgunder/Grauer Mönch) und Chardonnay erzeugt und sind im Körper oft kräftiger als Weine aus anderen Regionen.

Bükki – Bükkalja

Das kleinere Gebiet der Region – Bükkalja – unterscheidet sich deutlich von den anderen dreien (Tokaj, Matrálja und Eger). In dem nördlicheren Mittelgebirge ist das Klima deutlich kühler. Das Landschaftsbild ist von den größten zusammen hängenden Waldbeständen Ungarns bestimmt. Der Name Bükk leitet sich vom ungarischen Wort Buche ab. Weinbau wird seit Anfang des 16. Jahrhunderts betrieben, erreichte jedoch nie die Bedeutung der Nachbarregionen.
Der Großteil der Rebberge liegt in den Ebenen, die meist mit Weißweinreben bestockt sind. Diese gedeihen in dem kühleren, trockeneren Klima besser und wachsen auf kalkhaltigen Böden. Die wichtigsten Weißweinreben sind Olaszrizling, Leányka, Zöld Veltelini und Rizlingszilvány, aus denen meistens einfache Trinkweine hergestellt werden. Einige dienen als Grundweine für die Sektherstellung.

Tokaj – eine Klasse für sich

„C´est le roi des vins et le vin des rois – Das ist der König der Weine und der Wein der Könige“: dieser Ausspruch des Sonnenkönigs Louis XIV. (1683-1715) ist weltberühmt, und seitdem werden die Tokajer-Weine als „Flüssiges Gold“ bezeichnet. Bis dahin war es ein weiter Weg.

Überlieferungen zufolge ließen sich die Magyaren um 896 im Tokajer-Gebiet nieder und intensivierten den Weinbau. Ab dem 11. Jahrhundert wurden sie durch in das Land gerufene französische Bauern unterstützt. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts litt das Land unter den Plünderungen und Feldzügen der Tataren. Ende des 13. Jahrhunderts zogen italienische Siedler in diese Region, um den Wiederaufbau zu unterstützen. Dieser Einfluss wird noch heute deutlich: Der Name Olasz heißt übersetzt Italienisch. Er gab dem Welschriesling in Ungarn (italienisch: Riesling italienico) seinen Namen „Olaszrizling“. Viele Ortsnamen beinhalten das Wort olasz und erinnern an diese Zeiten. Die Stadt Tokaj im Zentrum des Gebietes war bereits damals wichtiger Verkehrsknotenpunkt und wurde Namensgeber für Weine.

Ab etwa Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Tokajer-Wein immer bekannter, was größtenteils auf die Aszú-Weine zurückzuführen ist, eine hohe Qualitätsstufe des Tokajer, bei der der Anteil der edelfaulen Beeren eine große Rolle spielt. Der Legende nach entstanden die ersten Aszú-Weine im Jahre 1650, als wieder einmal die Türken ins Land fielen – zeitgleich mit Beginn der Lese. Der für den Wein verantwortliche Priester des Großgrundbesitzers Lorantfly ordnete an, die Trauben hängen zu lassen. 125 Jahre früher als auf Schloss Johannisburg wurden erstmals in Tokaj Weine aus edelfaulen Trauben gekeltert. Die ausgezeichnete Qualität der Weine überraschte und sprach sich schnell herum. Er gelangte bald in die Nachbarländer.
Der Landesfürst Ferenc Rákóczi II. (1676-1735) finanzierte seine Kämpfe aus dem Erlös vom Verkauf der Tokajer-Weine (er war auch größter Weinbergsbesitzer), aber er verschenkte sie auch, wie zum Beispiel an den russischen Zaren Peter den Großen. In Russland wurden die Weine schnell so beliebt, dass der russische Zar sogar eine Sonderkommission gründen ließ, die den Einkauf des Tokajers für den russischen Bedarf über mehrere Jahrzehnte organisierte.

Das zog natürlich Neid auf sich; besonders unter der Herrschaft von Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) kam es zu etlichen Sanktionen wie Einfuhrverboten oder hohen Einfuhrzöllen. Weinfälschungen tauchten am Markt auf, um den Bedarf zu befriedigen. 1885 gab die Reblaus den Rest und vernichtete 80 Prozent der Rebfläche.

Nach den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert siechte der Weinbau unter den sozialistischen Produktionsbedingungen. Es gab auch hier nur wenige staatliche Kombinate, die Tokajer-Wein in großen Mengen produzierten. Die Qualität war äußerst unbefriedigend. Die meisten Reben wurden in den Ebenen gepflanzt und nicht wie früher an den Hanglagen, um große Mengen zu garantieren.
Seit den 1990er Jahren sieht diese Region wieder glanzvolleren Zeiten entgegen. 2002 wurde sie von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Der Name Tokaj ist gesetzlich nur der Region Tokaj in Ungarn und den drei Gemeinden im slowakischen Teil des Gebiets erlaubt. Bezeichnungen wie Tokay Pinot Gris und Tocai Friulano sind seit 2007 verboten.

Die vulkanischen Böden, teilweise mit Lavaverwitterung, sowie die drei Hauptrebsorten Furmint, Lindenblättriger und Gelber Muskateller prägen das Geschmacksbild der Weine. Diese recht spät reifenden Sorten sind prädestiniert für den Anbau in Tokaj. Das Klima zeichnet sich durch trockene, weniger heiße Sommer und warme, lange sonnenreiche Herbste aus. Die Karpaten schützen das Gebiet im Norden, Osten und Westen vor kalten Winden. Die beiden Flüsse Bodrog und Tisza begünstigen die Nebelbildung und somit den Botrytisbefall der Trauben.